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Sie sehe nicht ein, warum der Konflikt eines so fernen Landes hier ausgetragen werde. "Das hat mit Deutschland nichts zu tun", schließt die Richterin des Amtsgerichts Bad-Cannstatt Ende Februar die Verhandlung gegen Merhawi B., einen eritreischen Staatsbürger. Verhandelt wird aus Platz- und Sicherheitsgründen in Stuttgart Stammheim. Dem jungen Mann wird vorgeworfen, bei Ausschreitungen am Stuttgarter Römerkastell im September 2023 den Betonfuß eines Bauzauns in Richtung der Polizei geworfen zu haben.

Aster Ghidey sitzt als Zuschauerin im Gerichtssaal, als das Urteil fällt. Drei Jahre und neun Monate Freiheitsstrafe. Sie kann kaum schlucken. Wenige Wochen später am Küchentisch der Kontext-Redaktion sind ihre großen dunklen Augen wieder tränenunterlaufen. Es sind Tränen der Wut, der Angst. "Was setzt dieses Urteil für ein Zeichen?"

Auch sie war im September am Römerkastell vor Ort und demonstrierte gegen ein sogenanntes Seminar, das vom Dachverband der eritreischen Vereine organisiert wurde. Solche Veranstaltungen gelten als langer Arm der Diktatur. Dort gesammelte Spenden fließen direkt in die Kasse von Staatspräsident Isayas Afewerki, der das Land im Osten Afrikas seit der Unabhängigkeit von Äthiopien im Jahr 1993 autokratisch regiert: ohne Verfassung, Rechtsstaat und bürgerliche Grundrechte.